Ein neuer "Bio"-Kraftstoff schadet Mensch und Umwelt - und sogar
manchem Auto
Super E10 heißt das neue Wundermittel, mit dem uns die Europäische Union und
die Bundesregierung ab dem 1. Januar beglücken möchten: Er soll Europas
Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen verringern und
gleichzeitig das Klima schonen. Denn Super E10 enthält einen zehnprozentigen
Anteil an Ethanol aus nachwachsenden Rohstoffen, der beim Verbrennen nur genau
so viel Kohlendioxid freisetzt, wie die Pflanzen während ihres Wachstums
aufgenommen haben – ein klimafreundliches Nullsummenspiel.
So zumindest die Theorie. In der Praxis stellt sich Super E10 als völlig
kontraproduktives Mittel zum Klimaschutz dar – es schadet der Umwelt
sogar. Längst haben zahlreiche
Studien
gezeigt, dass die Produktion von Kraftstoffen auf Pflanzenbasis eher Schäden
verursacht, als einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Der intensive Anbau
von Zuckerrüben, Mais oder Raps für Ethanol oder Agrardiesel lässt sich nur
mit hohen Düngergaben bewerkstelligen, deren Stickstoffanteil in hohem Maß
als Lachgas in die Atmosphäre austritt – und dort die Erderwärmung
300 Mal so effektiv antreibt wie Kohlendioxid. Alternative Quellen wie in
Tanks gezüchtete Algen oder Erntereste wie Stroh oder Maisstängel befinden
sich noch in Testphasen oder werfen bislang nur unergiebige Erträge ab.
Übersicht gängiger Kraftstoffe aus Pflanzenmaterial
Um den Bedarf für die Agrarspritindustrie – sowie für Biogasanlagen –
zu decken, wandeln Landwirte in der Bundesrepublik daher zunehmend Weiden in
Mais- oder Rapsäcker um. Das im Grünland gespeicherte Kohlendioxid wird
dadurch freigesetzt, was die Ökobilanz der darauf gewonnenen Treibstoffe
weiter verschlechtert. Zudem benötigt diese Art der Mobilitätssicherung
weitere Nutzflächen: Um allein den für die europäischen Vorgaben nötigen
Bedarf an "Bio"diesel und Ethanol zu decken, müssten bis 2020
weitere 69 000 Quadratkilometer Wald, Weiden und Feuchtgebiete zur
Energiegewinnung umgewandelt werde – das entspricht der Fläche
Bayerns. Allein dadurch werden mehr als 50 Millionen Tonnen CO
2
zusätzlich frei, was den Abgasen von mehreren Millionen Autos entspräche.
Weit gehend ungeklärt ist außerdem,
welche
Schadstoffe bei der Verbrennung der grün angehauchten Treibstoffe entstehen –
zumal, wenn sie mit herkömmlichem Benzin oder Diesel vermischt sind.
Wissenschaftler haben jedoch schon entdeckt, dass sich bei der Verfeuerung von
Agrardiesel deutlich mehr Krebs erregendes Formaldehyd oder leberschädigendes
Azetaldehyd bildet als bei seinem mineralischen Vettern. Laut dem ARD-Magazin
"Fakt" vom 6. Dezember 2010 hätten Wissenschaftler zudem
Blausäure und Ozon in den Abgasen von mit Super E10 betankten Fahrzeugen
nachgewiesen.
Der Kraftstoff ist aber nicht nur ein ökologisches Problem: Hier zu Lande
wird Ethanol zumeist aus Weizen gewonnen, so dass Super E10 unmittelbar mit
der Nahrungsmittelproduktion konkurriert – zukünftig steigende Preise
für Grundnahrungsmittel sind dann auch dieser Politik mitgeschuldet. Und
dieses Szenario ist keine Schwarzmalerei: In den USA stammt das Ethanol vor
allem aus Mais, der durch eine ähnlich wie in Europa geartete Politik dann im
Tank landet. Als Folge dieser Entwicklung stiegen im Jahr 2007 die
Maispreise in Mexiko, das zuvor einen beträchtlichen Teil der US-Ernte
importierte, und wütende Menschen gingen wegen sich verteuernder Lebensmittel
auf die Straße.
Und Super E10 könnte auch noch einigen Autos auf Europas Straßen schwer
schaden: Das beigemengte Ethanol reagiert chemisch aggressiv und greift
Aluminiumbauteile an – Korrosion droht. Erhöhter Verschleiß droht
auch bei Ventilen, Schläuchen und Gummidichtungen, aus denen es Weichmacher lösen
kann, so dass sie porös werden. Etwa zehn Prozent aller Autos in Deutschland
sind nicht für das Betanken mit dem neuen Kraftstoff geeignet, schätzt der
ADAC und warnt ihre Besitzer davor, Super E10 zu tanken.
Ein letzter Punkt zeigt den ganzen Wahnsinn dieser Idee: Da die Energiedichte
von Ethanol geringer ist als die von Erdölprodukten, reicht ein Tank auch
weniger weit – es muss früher nachgetankt werden. Den Mehrverbrauch
beziffert der Verkehrsclub Deutschland auf ein "Schnapsglas voll"
pro 100 Kilometer, der Auto- und Reiseclub Deutschland auf drei Prozent.
In der Summe von Millionen Autos verschlechtert dies letztendlich die Umwelt-
und Klimabilanz des Kraftstoffs noch weiter. Man kann also nur hoffen, dass
die Autofahrer dieses "grüne" Kuckucksei aus dem Nest werfen –
indem sie Super E10 an der Tankstelle boykottieren.