Diesel-Partikelfilter: Ausgerusst!   
Der Dieselmotor ist wieder ins Gerede gekommen, und diesmal wird er nicht ohne Partikelfilter davonkommen, da hilft auch Euro IV nichts mehr
Die Diskussion ist nicht neu, nur die Stimmung ist mittlerweile gekippt. Noch vor wenigen Monaten wurden alle abgewatscht, die den Einbau von Rußfiltern in Diesel-Pkw forderten. Mittlerweile plädieren auch ÖAMTC und ARBÖ für die serienmäßige Ausrüstung aller Diesel-Pkw mit Partikelfiltern.
Um die neue Technologie schmerzlos einzuführen, erscheint eine staatliche Förderung sinnvoll, da wird auch kaum wer was dagegen sagen außer der Regierung, deren Stellungnahme noch aussteht. Immerhin hat eine ähnliche Prozedur schon 1987 die Startschwierigkeiten des Katalysators für Benzinmotoren gemildert, die Diskussion war damals eine ähnliche.

Auf die Größe kommt’s an.
Beginnen wir beim Grundkonsens aller Streitpartner: Dieselruß ist nicht gesund. Und die Technologie dagegen ist vorhanden, nur das Gesetz ist halbherzig. Denn so gut Euro IV auch klingt: Die neue, ab Jänner 2005 gültige Norm misst wieder nur das Gewicht (Grenzwert: 0,025g/km) und lässt die Partikelgröße außer Acht.

Zu unterscheiden ist aber zwischen der Masse an ausgestoßenen Partikeln und deren Größe. Die Masse alleine sagt wenig aus. Würden Dieselautos alle paar Kilometer eine murmelgroße Rußkugel emittieren, gäbe es zumindest keine Lungenkrebsgefahr.

Wirklich gefährlich sind die winzigen Partikel (unter 10 bis 20 Nanometer), die tief in die Lunge vordringen können. Falls Sie sich unter 10 Nanometer nix vorstellen können: Zeichnet man sich ein Partikel einen Millimeter groß auf, dann wäre ein maßstabsgetreues menschliches Haar daneben vier Meter dick. Manche Partikel sind so klein und leicht, dass sie von der Decke bis zum Fußboden 30 Tage schweben würden.
Und hier liegt das Problem: Gerade die winzigen Partikel entstehen vermehrt in modernen Dieselmotoren, und immerhin hatten wir im Vorjahr 71 Prozent Dieselanteil bei den Neuwagen.

Früher sterben und mehr husten?
Die Gefahr der winzigen Teilchen liegt in ihrer vergleichsweise großen Oberfläche, an der Krebs erregende Substanzen eindeutig nachgewiesen wurden. Damit steigt die Gefahr von Lungenkrebs, außerdem werden die Atemwege gereizt, was zu Asthmaanfällen und Entzündungen der Atemwege führen kann. Falls sich das nicht dramatisch genug anhört: Die WHO schätzt, dass in Österreich jährlich 2411 Menschen aufgrund der Dieselpartikel frühzeitig sterben und 1470 wegen Atemwegserkrankungen ins Spital müssen. Mehrere Studien finden klare Hinweise, dass Dieselpartikel für zwei bis sechs Prozent aller Todesfälle verantwortlich sind. Ein Experte1) meint jedoch, dass das Einatmen von Feinstaub bis zu einer gewissen Grenze harmlos wäre, weil die Killerzellen des menschlichen Organismus damit fertig würden. Und der Wiener Umweltmediziner Hanns Mooshammer kommt nach Untersuchungen zu dem Schluss: „An verkehrsreichen Straßen lässt sich in der Luft mehr Feinstaub nachweisen als in verrauchten Gaststätten, die Luftqualität ist ungefähr vergleichbar.“

Was hilft Euro IV?
Weil Euro IV den bisher gültigen Euro-III-Grenzwert nur halbiert und wieder nur das Gewicht des Rußes misst, ist der Grenzwert für Umweltmediziner noch immer zu hoch. Und das Argument vieler Hersteller, ihre kleinvolumigen Modelle würden Euro IV auch ohne Filter unterbieten, darf nicht gelten: Mit Filter lässt sich der Rußausstoß nämlich um 90 % unter den Grenzwert drücken – was auch einiges über die Schärfe des Grenzwertes aussagt.

Das zweite Thema bei Dieselabgasen heißt Stickoxide. Sie tragen zur Ozonbildung und zur Übersäuerung des Bodens bei, für sie wird ein eigener Katalysator notwendig, den derzeit nur Toyota im Avensis anbietet.

Aber natürlich hat der Diesel noch immer gute Seiten: Durch den geringeren Verbrauch emittiert er weniger CO2 als gleich starke Benziner, und CO2 mischt beim Treibhauseffekt kräftig mit, kann aber mit keinem Katalysator eliminiert werden.

Der Ruß der anderen.
Bei der ganzen Partikeldiskussion darf natürlich nicht auf den Rußausstoß von Industrie, Lkw und Hausbrand vergessen werden. Aber: Die feinsten und daher gefährlichsten Teilchen kommen eindeutig aus modernen Pkw- Dieselmotoren. Und niemand kommt einem Rauchfang so nahe wie dem Auspuff des Vordermannes, wenn’s staut.

Was feststeht.
Also: Die Technik ist heute viel weiter als die Grenzwerte. Das war nicht immer so: Erste Versuche vor 20 Jahren (Mercedes in den USA) endeten vorzeitig, weil die Keramikfilter zerbrachen, in Bröckerln aus dem Auspuff kamen und dabei den Turbolader ruinierten. Der Vorstoß von Peugeot/ Citroën aber hat gezeigt, dass die Filter mittlerweile nach 100.000 km noch wirken wie am Anfang, und das Additiv ist einer von vielen Punkten auf der Serviceliste. Die neueste Filtergeneration kommt überhaupt ohne Additiv aus.

Was jetzt noch gegen Partikelfilter spricht, sind die Mehrkosten von rund 500 bis 1.000 Euro, die allerdings gut investiert sind – Autos ohne Filter könnten in wenigen Jahren nämlich ziemlich festgewurzelt am Gebrauchtwagenplatz stehen, so haben wir’s zumindest bei Kat-losen Benzinern erlebt.

Nachrüstung.
Ein nachträglicher Einbau eines Partikelfilters ist möglich, allerdings müsste das komplette Motormanagement adaptiert werden, damit die zum Abbrennen der herausgefilterten Partikel nötigen Temperaturen erreicht werden. Weil sich diesen Aufwand niemand antun würde (vor allem finanziell), begnügen sich Nachrüstfilter mit offenen Filterstrukturen und damit etwas weniger Wirkung. Vor allem die größeren (und vergleichsweise harmlosen) Teilchen kommen durch, die winzigsten werden durch schaufelartige Einschnitte in den Kanälen abgelenkt und in einem Vlies aufgefangen.

Die großen Filterhersteller zögern noch, ein kleiner ist vorgeprescht: Der Nachrüstfilter von Twin Tec ist serienreif, die Kosten liegen inklusive Einbau bei rund 700 Euro, Infos gibt’s unter www.twintec.de/index-de.html. Die Chancen, sich einen Gutteil der Summe beim Verkauf des Autos wieder zurückzuholen, stehen nicht schlecht.

Prinzipiell serienreif ist auch das Nachrüstsystem von HJS, das mit Additiv-Zugabe etwas komplizierter, dafür effizienter arbeitet. Der Probebetrieb läuft, der Hersteller will damit erst den Markt sprenkeln, wenn eine staatliche Förderung für Nachrüstungen in Deutschland
fix ist.

Wie tot ist der Diesel?
Jetzt vom Ende des Diesels zu sprechen ist allerdings falsch. Prof. Bernhard Geringer, Motorenexperte der TU Wien: „Der Partikelfilter wird in Serie kommen, damit werden Diesel-Pkws etwas teurer werden. Dass die Grenzwerte ab 2008 oder 2009 mit Euro V weiter verschärft werden, ist auch relativ sicher, dann werden zusätzlich noch Denox- und Speicher-Kats nötig sein. Damit wird die Luft dünn für weitere Verbrauchsabsenkungen, und Benziner werden deutlich günstiger sein als vergleichbare Diesel. Dieser Preisvorteil kann beim Benziner in verbrauchssenkende Maßnahmen investiert werden, damit wird sich der derzeitige Dieselboom auf ein vernünftiges Maß einpendeln.“

Der Diesel wird sich noch immer rechnen, allerdings nur mehr für Vielfahrer in größeren Autos – wir sind dann also wieder dort, wo Dieselfahren einst begann.


Quelle: AUTOREVUE 05/05