Zusammenfassung
Der UPI-Bericht 44 bewertet aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, u.a. von
30 epidemiologischen Studien am Menschen zum Zusammenhang von Dieselruß und Lungenkrebs,
das Krebsrisiko durch den Kraftfahrzeugverkehr neu. Die Berechnung ergibt, daß durch die
Emission von Dieselruß und Benzol aus Kraftfahrzeugabgasen in der Bundesrepublik
Deutschland pro Jahr ca. 8 000 Fälle von Lungenkrebs verursacht werden. Das Risiko, an
vielbefahrenen Hauptstraße einen Lungenkrebs durch Kraftfahrzeugabgase zu
entwickeln, beträgt heute mehr als 1 zu 40. |
Es ist seit langem bekannt, daß Umweltschadstoffe des Straßenverkehrs bösartige Tumoren und Leukämie verursachen. Als Beispiel zeigen die beiden Grafiken "Kinderkrebsfälle und Kfz-Verkehr" die Ergebnisse einer epidemiologischen Untersuchung, in der Krebs- und Leukämiefälle von Kindern untersucht wurden. Nach der Nivellierung sozioökonomischer und anderer nichtökologischer Faktoren ergab sich, daß die Anzahl der Krebsfälle von Kindern stark mit dem Straßenverkehr zusammenhängt. Je dichter der Kraftfahrzeugverkehr in der Wohngegend des Kindes ist, um so höher ist das Risiko, an Leukämie oder Krebs zu erkranken. |
Der Länderausschuß für Immissionsschutz (LAI) faßte im Jahr 1992 die vorhandenen Untersuchungen in einem Bericht für die Bundesländer und die Bundesregierung zusammen. Darin wird das Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen verschiedener Arten ermittelt und z.B. räumlich differenziert dargestellt (siehe Grafik "Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen"). Daraus ist ersichtlich, daß das Krebsrisiko durch Luftverunreinigungen überwiegend durch den Kraftfahrzeugverkehr verursacht wird. Um das Problem für den Gesetzgeber behandelbar zu machen, schlägt der Länderausschuß für Immissionsschutz ein sogenanntes "Akzeptables Krebsrisiko von 1 Krebsfall pro 2 500 Einwohnern" vor. Ein darüber hinausgehendes Krebsrisiko solle durch die Umweltgesetzgebung verhindert werden. Aus diesem Risikowert leitet der Länderausschuß für Immissionsschutz Vorschläge für Grenzwerte z.B. für Benzol und Dieselrußpartikel in Höhe von 2,5 bzw. 1,5 µg/m3 ab. Obwohl diese Grenzwerte wegen ihrer Höhe medizinisch problematisch wären, wurden vom Gesetzgeber noch nicht einmal diese Werte umgesetzt. Mit mehrjähriger Verzögerung verabschiedete die Bundesregierung die 23. BImSch-Verordnung, die im März 1997 in Kraft trat. Darin werden ab 1995 für Benzol und Dieselruß ein Grenzwert von 15 µg/m3 und 10 µg/m3 und ab 1998 ein Grenzwert von 10 bzw. 8 µg/m3 festgeschrieben. Diese Grenzwerte liegen um das 3- bis 10-fache über den vom Länderausschuß für Immissionsschutz vorgeschlagenen Grenzwerten. |
Diese Grenzwerte werden in bewohnten Gebieten durch den Straßenverkehr häufig
überschritten. Tabelle 6 zeigt
als Beispiel Ergebnisse von Immissionsmessungen in Baden-Württemberg. Gemessen wurde der
Jahresmittelwert von Benzol und Dieselruß an 64 Meßorten. An 44% der Meßorte
war der Grenzwert der 23. BImSchV von 10 µg/m3 für Benzol und an 70% der Grenzwert von 8
µg/m3 für Dieselruß
überschritten. Die durch den Länderausschuß für Immissionsschutz
empfohlenen Grenzwerte von 2,5 µg/m3 für Benzol und 1,5 µg/m3 für Dieselruß waren an 100% der Meßorte weit
überschritten. |
Die vom LAI verwendeten Risikofaktoren, mit denen das Krebsrisiko ermittelt wird,
stellen dabei nicht den Stand der Wissenschaft dar. Dies wird im Folgenden am Beispiel der
Dieselrußpartikel erläutert. Tabelle 1 zeigt die in verschiedenen Untersuchungen
ermittelten Risikofaktoren ("unit-risk" bei einer lebenslangen Inhalation von 1
µg/m3 Dieselrußpartikel) für
Lungenkrebs. |
Lungenkrebsrisiko | ||||
Untersuchungsart | Bemerkungen | Organismus | unit risk 1x 10-5 | Autoren |
Kurzzeittests | "Comparative potency" | Maus, Bakterien | 4 |
Albert et al. ,1983 |
Kurzzeittests | "Comparative potency" | Maus, Bakterien | 3 |
Albert et al. ,1983 |
Kurzzeittests | "Comparative potency" | Maus, Bakterien | 7 |
Cuddihy et al. ,1984 |
Kurzzeittests | M.wert von 3 Motoren | Maus, Bakterien | 69 |
Harris ,1983 |
Inhal.versuch | Multistage Modell | Ratte | 1 |
Albert und Chen ,1986 Auswertung von Mauderly |
Inhal.versuche | Linear | Ratte | 6 -12 |
Pott und Heinrich,1987 Auswertung von Brightwell, Heinrich, Mauderly |
Inhal.versuch | Time-to-tumor Modell | Ratte | 2 - 3 |
Smith und Stayner ,1990 |
Inhal.versuche | Logistische Regression | Ratte | 8 |
McClellan et al. ,1989 |
Epidemiologie | Londoner Transportarbeiter | erwachsener Mensch | 140 |
Harris ,1983 |
Epidemiologie | Eisenbahnarbeiter (Garshick) | erwachsener Mensch | 60 - 200 |
McClellan et al. ,1989 |
Inhal. versuche | Dosimetriemodell | Ratte | 2 |
Pepelko und Chen ,1993 Auswertung von Brightwell, Ishinishi, Mauderly |
Inhal. versuche | Dosimetriemodell | Ratte | 7 |
LAI 1992 |
Inhal. versuche | Dosimetriemodell | Ratte | 80 |
Hattis und Silver, 1992 |
Tabelle 1: Risikofaktoren für
Lungenkrebs bei einer lebenslangen Inhalation
von 1 µg/m3 Dieselrußpartikel, aus LAI 1992
Risikofaktoren wurden aus Tierexperimenten mit Mäusen, Ratten und aus epidemiologischen Untersuchungen am (erwachsenen) Menschen ermittelt. |
Tierversuche haben eine Reihe von Nachteilen, von denen die meisten in Richtung einer Unterschätzung des Risikos bei der Übertragung auf den Menschen wirken: So beträgt die Zeitdauer, denen die Versuchstiere einem Schadstoff im Experiment ausgesetzt sind, in der Regel nur einige Monate. (Maximale Lebensdauer von Ratten: 2 bis 2,5 Jahre). Der Mensch hingegen ist dem Schadstoff in der Umwelt meist Jahrzehnte ausgesetzt. Gerade bei der Bildung bösartiger Tumoren ist seit Jahrzehnten bekannt, daß die Latenzzeit beim Menschen Jahre bis Jahrzehnte beträgt. |
Versuchstiere sind zwar in der Regel auch Säugetiere. Die Übertragung quantitativer Ergebnisse von Versuchstieren auf den Menschen ist jedoch mit großen Unsicherheitsfaktoren verbunden. Das bekannteste Beispiel ist die Contergankatastrophe, die die Folge der Tatsache war, daß der Mensch 200 bis 700 mal empfindlicher auf Thalidomid, den Wirkstoff des Contergans, reagierte als die Versuchstiere, an denen das Präparat getestet worden war. |
In Tierexperimenten werden genetisch einheitliche Versuchstierstämme eingesetzt. Dies bringt zwar den Vorteil besserer wissenschaftlicher Reproduzierbarkeit, klammert jedoch die hohe genetische Variabilität beim Menschen und eine genetisch verursachte besondere Empfindlichkeit einzelner Menschen gegenüber bestimmten Schadstoffen aus. Dasselbe gilt für die Tatsache, daß im Tierexperiment in aller Regel nur gesunde Versuchstiere eingesetzt werden, während die Schadstoffe der Umwelt beim Menschen auf eine Gesamtbevölkerung treffen, in der Gesunde genauso vertreten sind wie Kranke, Ältere, Gebrechliche, Säuglinge und Kleinkinder. |
Wie sich aus Tabelle 1 ergibt, liegen die aus epidemiologischen Untersuchungen am (erwachsenen) Menschen ermittelten Risikofaktoren mit 140 bis 200 x 10-5 um mehr als eine Zehnerpotenz höher als die aus Tierexperimenten gewonnenen Daten. Trotzdem stützt sich der LAI in seiner Risikobewertung auf einen aus Rattenexperimenten ermittelten Risikofaktor von 7 x 10-5. Auch dieser Wert liegt noch nicht einmal für Ratten auf der sicheren Seite, da z.B. Hattis and Silver, 1992, aus Rattenexperimenten einen Risikofaktor von 80 x 10-5ermitteln. Die Höhe der Risikofaktoren geht linear in die Höhe des berechneten Krebsrisikos ein. |
Während die LAI-Studie, die in den letzten Jahren die amtliche Grundlage für
Risikoberechnungen durch Dieselruß und Benzol in der Bundesrepublik Deutschland
darstellte, nur zwei epidemiologische Studien über das Krebsrisiko durch Dieselruß beim
Menschen anführt (Tabelle 1), existieren in der Realität über 20 solcher
epidemiologischen Studien. Wie Tabelle 2 zeigt, war die überwiegende Zahl dieser
epidemiologischen Studien bereits vor Abfassung der LAI-Studie veröffentlicht. Bei diesen
insgesamt 24 Studien wurden verschiedene Berufsgruppen, die z.B. als LKW- oder Busfahrer
Kraftfahrzeug-Abgasen ausgesetzt waren, in Form von retrospektiven, prospektiven oder
Fall-Kontroll-Studien untersucht. Insgesamt wurden dabei 6 231 Fälle von Lungenkrebs
analysiert. Wichtet man die in den einzelnen Studien ermittelten relativen Risikowerte
nach der Zahl der untersuchten Lungenkrebsfälle, ergibt sich aus den 24 epidemiologischen
Studien ein relatives Risiko der Dieselruß-exponierten Beschäftigten im Vergleich zu
Männern der Normalbevölkerung von 1,45, d.h. eine Erhöhung des Risikos um 45%. Bei 10
der 23 Studien wurden die Ergebnisse nach den Rauchgewohnheiten der Beschäftigten
korrigiert. Legt man lediglich diese Studien zugrunde und ermittelt das nach Zahl der
untersuchten Lungenkrebsfälle gewichtete relative Risiko der Beschäftigten nach
Korrektur auf Rauchgewohnheiten, ergibt sich bei insgesamt 5 027 erfaßten
Lungenkrebsfällen ein gewichtetes mittleres relatives Risiko in Höhe von 1,65. |
korrigiert auf | Exposition, | ||||||
Autor, Jahr | Type | Rauchen: | Beruf | Kategorie | Fälle | RR |
95% Cl |
Ahlberg et al, 1981 | RC | Nein | LKW-Fahrer | 161 |
1,10 |
1.1-1.6 |
|
Boffetta et al, 1988 | PC | Ja | LKW-Fahrer | 48 |
1,24 |
0.93-1.oo |
|
Ja | Maschinisten | 5 |
2,60 |
1.12-6.06 |
|||
Ja | Straßenarbeiter | 14 |
1,59 |
0.94-2.69 |
|||
Boffetta et al, 1990 | CC | Ja | Diesel-exponiert | >30 Jahre | 17 |
1,49 |
0.72-3.11 |
Coggon et al, 1984 | CC | Nein | Diesel-exponiert | 172 |
1,30 |
1.0-1.6 |
|
Damber&Larsson,1987 | CC | Ja | Fahrer | >20 Jahre | 37 |
1,20 |
0.6-2.2 |
Edling et at, 1987 | RC | Nein | Busfahrer | 6 |
0,67 |
0.24-1.46 |
|
Garshick et al, 1987 | CC | Ja | Straßenarbeiter | >20 Jahre | 117 |
1,64 |
1.18-2 20 |
Garshick et at, 1988 | RC | Nein | Straßenarbeiter | >15 Jahre | N/A |
1,72 |
1.27-2.33 |
Gustafsson et at, 1986 | RC | Nein | Dockarbeiter | 70 |
1,32 |
1.05-1.66 |
|
Gustavsson et al, 1990 | RC | Nein | Busgaragen-Arbeiter | Hohe Exposition | 12 |
2,00 |
1.43-2.8 |
Hansen, 1993 | RC | Nein | LKW-Fahrer | 76 |
1,60 |
1.26-2.0 |
|
Hayes et at, 1989 | CC | Ja | Busfahrer | >10 Jahre | 38 |
1,60 |
0.9-2.8 |
Ja | LKW-Fahrer | >10 Jahre | 147 |
1,50 |
1.1-1.9 |
||
Ja | Maschinisten | >10 Jahre | 14 |
1,30 |
0.6-3.1 |
||
Howe et al, 1983 | RC | Nein | Straßenarbeiter | Wahrscheinl.Exp | 279 |
1,35 |
1.2-1.52 |
Lerchen et al, 1987 | CC | Ja | Diesel Mechaniker | 7 |
0,60 |
0.2-2.0 |
|
Menck & Henderson 1976 | RC | Nein | LKW-Fahrer | 109 |
1,65 |
1.35-1.99 |
|
Raffle 1957 | RC | Nein | Bus & Trolleyfahrer | 30 |
1,40 |
0-94-2.0f |
|
Rafnsson & Gunnarsdottir 1991 | RC | Nein | LKW-Fahrer | >30 Jahre | 24 |
2,32 |
0.85-5.04 |
Rushton et al, 1983 | RC | Nein | Busmechaniker | 102 |
1,01 |
0.82-1.22 |
|
Siemiatycki et al, 1988 | CC | Ja | Dieselruß-exponiert | 76 |
1,08 |
0.92-1.27 |
|
Steenland et at, 1990 | CC | Ja | Diesel LKW-Fahrer | >25 Jahre | 128 |
1,60 |
1-2.3 |
Swanson et at, 1993 | CC | Ja | LKW-Fahrer | >20 Jahre | 121 |
2,44 |
1.43-4.16 |
Ja | Straßenarbeiter | >10 Jahre | 40 |
2,46 |
1.24-4-87 |
||
Williams et al, 1977 | CC | Ja | LKW-Fahrer | 22 |
1,52 |
0.9-2.56 |
|
Ja | Straßenarbeiter | 12 |
1,40 |
0.74-2.64 |
|||
Wichmann et al., 1997 | CC | Ja | Dieselruß-exponiert | 4184 |
1,60 |
1,33-1,92 |
|
Wong et al, 1985 | RC | Nein | Maschinisten | >20 Jahre | 163 |
1,07 |
0.91-1.24 |
RC = retrospective cohort study; PC = prospective cohort study; CC = case-control study
Tabelle 2: Zusammenstellung der epidemiologischen Studien über
Lungenkrebs und Dieselruß-Exposition beim Menschen, nach Bhatia et al., 1998 und
UPI
7 Studien analysierten das Lungenkrebsrisiko in Abhängigkeit von der Expositionsdauer
(siehe Tabelle 3). Dabei ergab sich in jedem Fall eine deutliche Zunahme des Risikos mit
der Dauer, der die Beschäftigten Kraftfahrzeugabgasen ausgesetzt waren. |
Autor | Typ | Rauch-Korrektur |
Untergruppe | Expositionsjahre | RR | 95% Cl |
Boffetta et al 1990 | CC | Ja | Diesel-exponiert | 1-15 |
0,52 |
0.15-1.86 |
16-29 |
0,70 |
0.34-1-44 | ||||
>30 |
1,49 |
0.72-3.11 | ||||
Damber&Larsson,1987 | CC | Ja | Fahrer | 1-19 |
1 |
0.7-1.5 |
>20 |
1,20 |
0.6-2.2 | ||||
Garshick et al. 1987 | CC | Ja | Straßen Arbeiter | 5-19 |
1,02 |
0.72-1.4 |
>20 |
1,64 |
1.18-2.2 | ||||
Garshick et al. 1987 | RC | Nein | Straßen Arbeiter | 1-4 |
1,20 |
1.01-1-44 |
5-9 |
1,24 |
1.06-1.44 | ||||
10-14 |
1,32 |
1.13-1.56 | ||||
>15 |
1,72 |
1.27-2.33 | ||||
Hayes et al, 1989 | CC | Ja | Maschinisten | <10 |
1,50 |
0.4-4.3 |
>10 |
1,30 |
0.6-3.1 | ||||
LKW-Fahrer | <10 |
1 |
0.8-1.3 | |||
>10 |
1,50 |
1.1-1.9 | ||||
Busfahrer | <10 |
1,10 |
0.6-2.1 | |||
>10 |
1,60 |
0.9-2.8 | ||||
Steenland et al. 1990 | CC | Ja | Diesel LKW-Fahrer | 1-24 |
1,27 |
0.7-2.27 |
25-34 |
1,26 |
0.74-2.16 | ||||
>35 |
1,89 |
1.04-3.42 | ||||
Swanson et al. 1993 | CC | Ja | Straßen Arbeiter | 1-9 |
1,57 |
0.8-3.11 |
>10 |
2,46 |
1.24-4.87 | ||||
Schwer-LKW-Fahrer | 1-9 |
1,56 |
0.95-2.58 | |||
10-19 |
1,67 |
0.87-3.18 | ||||
>20 |
2,44 |
1.43-4.16 |
Tabelle 3: Epidemiologische Studien über
Lungenkrebs und Dieselruß-Exposition
beim Menschen nach Zeitdauer der Exposition, nach Bhatia et al., 1998
Zur Berechnung des Risiko durch Dieselrußpartikel
in der Umwelt müssen Unit-Risk-Werte zugrundegelegt werden. Diese geben die Zahl der
Lungenkrebsfälle pro 100 000 Menschen bei einer lebenslangen Schadstoff-Inhalation
von durchschnittlich 1 µg/m3
an. |
Stayner, L. et al., 1998, führten einen Review der bisher aus epidemiologischen Studien errechneten Unit-Risk-Berechnungen durch (siehe Tabelle 8). Je nach der Art der Berechnung der Schadstoffkonzentrationen in der Vergangenheit bei den in der jeweiligen epidemiologischen Studie exponierten Personen, dem verwendeten statistischen Auswertemodell und der angenommenen Latenzzeit für Lungenkrebs ergeben sich Abweichungen in den erhaltenen Unit-Risk-Werten. Die berechneten Unit-Risk-Werte liegen zwischen 48 und 438 x 10-5. |
Studie |
Datenquelle |
Exposition |
Statistisches Modell |
unit risk |
unit risk |
Harris, 1983 | Londoner Transportarbeiter, Harris, 1983 | Expositionskonzentration | Additives relatives Risikomodell | 62 |
238 |
Smith and Stayner, 1991 | Fall-Kontrollstudie von US-Straßen-arbeitern, Garshick et al., 1988 | Expositionskonzentration | Log-lineares relatives Risikomodell | 76 |
391 |
Kalifornische EPA, 1997 | Kohortenstudie von US-Straßenarbeitern, Garshick et al., 1988 | Kumulative Exposition, Dachkurve | Inverse varianzgewichtete lineare Regression | 286 |
381 |
Kumulative Exposition, Dachkurve | Poisson Verteilung | 181 |
257 |
||
Kumulative Exposition, Rampenkurve | Poisson Verteilung | 438 |
666 |
||
gewichtete durchschnittliche Exposition, Dachkurve | Armitage-Doll-Modell: 10 Jahre Latenzzeit | 48 |
71 |
||
gewichtete durchschnittliche Exposition, Dachkurve | Armitage-Doll-Modell: 5 Jahre Latenzzeit | 57 |
86 |
||
gewichtete durchschnittliche Exposition, Rampenkurve | Armitage-Doll-Modell: 5 Jahre Latenzzeit | 162 |
276 |
||
Steenland et al., 1998 | Fall-Kontrollstudie von US-LKW- Fahrern, Steenland et al., 1990 | Kumulative Exposition | logistische Regression | 214 |
367 |
|
Die jüngste Berechnung wurde von Steenland et al., 1998, durchgeführt. Sie beruht auf den Daten einer Fall-Kontroll-Studie von LKW-Fahrern in den USA mit 994 Lungenkrebsfällen und 1 085 Kontrollen. Die Stärke der Studie liegt u.a. darin, daß die gesamte Lebensspanne der Exponierten berücksichtigt wurde (Fälle und Kontrollen im Pensionsalter) und somit die Gesamtheit der aufgetretenen Karzinome erfaßt wurde. Die Konzentrationen an Dieselrußpartikeln wurden bei verschiedenen Tätigkeiten der Exponierten gemessen und konnten so der Auswertung in Abhängigkeit von der ausgeübten Tätigkeit zugrunde gelegt werden. Die Berechnungen wurden für Alter, Rauchgewohnheiten, Asbestexposition und Rasse korrigiert. Sie ergaben bei Annahme einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung einen Unit-Risk-Wert von 45 x 10-5 für beruflich Exponierte (45 Jahre Berufszeit, 240 Tage pro Jahr und einer Atemrate von 10 m3 pro Tag während der Arbeitszeit). Für die Normalbevölkerung (70 Jahre Expositionszeit, 365 Tage pro Jahr und einer Atemrate von 20 m3 pro Tag) errechnet sich ein Unit-Risk-Wert in Höhe von 214 x 10-5. Diese Unit-Risk-Werte wurden mit der Annahme einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ermittelt. In der Studie zeigte sich jedoch eine bessere Übereinstimmung mit einer logarithmischen Kurve. Da diese im niedrigen Konzentrationsbereich ein höheres Risiko als bei einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ergibt, stellen die linear berechneten Werte wahrscheinlich eine Unterschätzung des Risikos dar. |
Lungenkrebs stellt nur eine Art von Krebs-Risiko durch den Kraftfahrzeugverkehr dar. Verschiedene epidemiologische Untersuchungen zeigen auch bei anderen Tumorraten ein erhöhtes Risiko bei Personen, die Kraftfahrzeug-Abgasen ausgesetzt sind. |
Berechnung der Lungenkrebsfälle durch Dieselruß und Benzol |
Analog zu den Berechnungen der LAI-Studie wurden in UPI-Bericht 44 die Zahl der Lungenkrebsfälle durch Dieselruß- und Benzol-Emissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr in der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 1998 berechnet. Grundlage dazu waren die in epidemiologischen Studien am Menschen ermittelten Risikofaktoren und die an zahlreichen stationären und mobilen Meßstationen in der Bundesrepublik Deutschland gemessenen Immissionen. |
Insgesamt ergibt sich, daß durch die beiden Schadstoffe Dieselruß und Benzol aus dem Kraftfahrzeugverkehr in der Bundesrepublik Deutschland unter den heutigen Bedingungen 8 000 Lungenkrebsfälle pro Jahr verursacht werden. Das entspricht u.a. der Gesamtzahl der bei Verkehrsunfällen pro Jahr in der Bundesrepublik Deutschland getöteten Personen. |
In Ballungsräumen stirbt etwa jeder 90. Bewohner, an Hauptverkehrsstraßen sogar jeder 40. Anwohner an Lungenkrebs, der durch Dieselruß- und Benzol-Emissionen des Straßenverkehrs verursacht wird. Dies ist ein unakzeptabel hohes Risiko. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik Deutschland stirbt jeder 560. Bewohner durch alle Arten krimineller Gewalteinwirkung (Mord, Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge). Das Risiko, in Ballungsräumen durch Dieselrußemissionen des Verkehrs an Lungenkrebs getötet zu werden, liegt 6-mal, an Hauptstraßen sogar 14-mal höher als das Risiko, durch Gewalteinwirkung zu sterben. |
Lungenkrebsfälle |
pro Jahr | durch | Jeder x. |
stirbt durch | ||
Dieselruß |
Benzol |
Summe | Dieselruß |
Benzol |
Summe | |
ländliche Gebiete | 282 |
2 |
285 |
611. |
73 260. |
606. |
Kleinstädtische Gebiete | 854 |
9 |
863 |
367. |
34 188. |
363. |
Ballungsräume | 6 840 |
85 |
6 926 |
89. |
7 123. |
88. |
Hauptstraßen | 39. |
2 564. |
39. |
|||
Gesamt | 7 977 |
97 |
8 074 |
137. |
11 285. |
135. |
Tabelle 4: Zahl der durch Dieselruß und Benzol in der Bundesrepublik
Deutschland
verursachten Lungenkrebsfälle pro Jahr und Höhe des durchschnittlichen
individuellen Risikos
Tabelle 5 zeigt die von verschiedenen Institutionen für zulässig erachteten Krebsrisiken.
Institution | 1 Krebsfall "zulässig" pro |
Amerikanische Umweltbehörde (EPA 1990) | 1 000 000 Menschen |
Länderausschuß für Immissionsschutz, abgeleitet aus Rattenexperimenten (LAI 1992), Summe der cancerogenen Immissionen | 2 500 Menschen |
Länderausschuß für Immissionsschutz, umgerechnet auf Epidemiologie erwachsener Menschen, nur Benzol und Dieselruß | 330 Menschen |
Bundesregierung 23. BImSchV: Grenzwerte für Benzol und Dieselruß in Normalluft 1996, nach LAI, Rattenexperimente. | 1 500 Menschen |
Bundesregierung 23. BImSchV: Grenzwerte für Benzol und Dieselruß in Normalluft 1996, umgerechnet auf Epidemiologie erwachsener Menschen | 60 Menschen |
Tabelle 5: "Zulässiges Krebsrisiko" durch Luftschadstoffe für Normalbevölkerung
Die Berechnungen wurden mit den in Westdeutschland gemessenen Dieselruß-Expositionen in der Gewichts-Einheit µg/m3 durchgeführt. Verschiedene Untersuchungen der letzten Jahre deuten jedoch darauf hin, daß nicht das Gewicht des Dieselrußes in der Atemluft, sondern die Anzahl der lungengängigen Partikel für die Krebsentstehung verantwortlich ist. Während das Gewicht der Emission von Dieselruß aus Dieselmotoren in den letzten Jahrzehnten gesunken ist, blieb die Zahl der lungengängigen Partikelemissionen gleich bzw. nahm zu. Dies konnte bei der Ermittlung dieses Unit-Risk-Wertes nicht berücksichtigt werden, da genaue Meßwerte über die auf der Zahl lungengängiger Dieselrußpartikel basierende Dieselruß-Emission von Motoren über die letzten Jahrzehnte nicht vorliegen. Eine Abschätzung zeigt jedoch, daß unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes der Unit-Risk-Wert für Dieselruß deutlich höher als hier berechnet ausfallen würde: Die gemessene Übersterblichkeit an Lungenkrebs von Dieselruß-exponierten Berufsgruppen wurde in den letzten Jahrzehnten durch eine deutlich geringere Zahl lungengängiger Dieselrußpartikel verursacht als es den auf dem Gewicht der Dieselruß-Exposition basierenden Meßwerten entspricht. Dies bedeutet einen höheren Risikowert für die heutige Situation, in der zwar das Gewicht der Dieselruß-Emissionen reduziert, die Zahl lungengängiger Partikel jedoch bisher durch die Abgasgesetzgebung nicht begrenzt und nicht reduziert wurde. |
Da die Abgasgesetzgebung bisher weder Grenzwerte noch Pläne für
zukünftige Grenzwerte für die Begrenzung der Zahl lungengängiger Dieselruß-Partikel
realisiert hat und der Verkehr mit Dieselmotoren nach verschiedenen Prognosen in den
nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen wird (Zunahme des Güterverkehrs, Verlagerung von
Güterverkehr von der Schiene auf die Straße, Zunahme der Diesel-OKW durch Förderung von Dieselmotoren
im Personenverkehr durch eine geringere Mineralölsteuer), werden die durch
Dieselruß-Emissionen des Verkehrs verursachten Gesundheitsschäden und Todesfälle in
Zukunft nicht ab-, sondern zunehmen. |
UPI-Bericht 44 "Krebsrisiko durch Benzol und Dieselrußpartikel an
Straßen": 23 Seiten, 4 Grafiken, 16 Tabellen, 52 Literaturstellen, 4. Auflage Juli 1999 DM 8,- |