Welt der Wissenschaft 20.Juli 2000

Mit Gentechnik zum Biotreibstoff

Nachwachsende Rohstoffe können Erdöl als Treibstofflieferant ersetzen - Preis-Leistungs-Verhältnis noch zu verbessern

Von ELGIN FÖRSTER

Potsdam - In 30 bis 40 Jahren werden die heute bekannten Erdölvorräte aufgebraucht sein. Daß bis dahin niemand mehr Auto fahren will, ist unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Länder wie China oder Indien stehen noch vor am Beginn der modernen Verkehrsgesellschaft. Ein Alternativkraftstoff muß her, möglichst unerschöpflich und mit Eigenschaften, die den geänderten Umweltbedingungen auf unserer Erde Rechnung tragen.

Eine Vielzahl von Vorschlägen und Entwicklungsvorhaben liegen dafür vor: Wasserstoff, Brennstoffzellentechnik, Erdgas, Elektroautos, Solarenergie und so weiter. Allerdings haben alle diese Verfahren einen großen Nachteil: Mit den zur Zeit gebräuchlichen Motoren sind sie nicht zu realisieren. Den geringsten Bruch mit den heutigen Kraftfahrzeugtechniken würde der Umstieg auf pflanzliche Öle mit sich bringen. Ein solcher Kraftstoff existiert auch schon, allerdings ist er nicht unumstritten: Bio-Diesel, gewonnen aus Rapsöl. Auf einem internationalen Symposium in Potsdam versuchten Wissenschaftler in dieser Woche die Frage zu beantworten, ob diese Alternative sinnvoll ist.

Aus motortechnischer Sicht laufen heutige Dieselmotoren mit Bio-Diesel reibungslos. Einige Autohersteller haben ihre Antriebsmaschinen für den Betrieb mit Bio-Kraftstoff mit voller Garantieverpflichtung bereits freigegeben. Allerdings handelt es sich bei dem Treibstoff um "veredeltes" Rapsöl. Es muß in teuren Anlagen mit hohem Aufwand verarbeitet werden. Dies lohnt sich nur, wenn eine ausreichend große Nachfrage besteht. Bis jetzt zahlt der Staat allerdings zu jedem Liter Bio-Diesel 67 Pfennig hinzu. Würde man aus Kostengründen naturbelassenes Rapsöl verwenden, müßten entscheidende Veränderungen an den Motoren vorgenommen werden, um das Verkoksen von Einspritzdüsen, Kolben und Kolbenringen zu verhindern. Dies würde wiederum bei den Automobilherstellern Widerstände hervorrufen.

Aus ökologischer Sicht gilt: Wenn schon Diesel, dann Bio-Diesel. Seine Abgase bringen nämlich deutlich weniger Belastungen für Mensch und Umwelt mit sich als Kraftstoff aus Erdöl. Bio-Diesel ist außerdem relativ günstig biologisch abbaubar, das heißt, bei Unfällen weit weniger gefährlich als Ölteppiche oder Benzinlachen. Auch der Treibhauseffekt wird nicht begünstigt. Eine angenommene Belastung der Umwelt mit Lachgas durch vermehrten Rapsanbau hat sich nicht bestätigt.

In toxikologischer Hinsicht gibt sich Bio-Diesel ebenfalls fortschrittlich. Kleinstpartikel, die Krebs auslösen können, kommen kaum vor. Und die etwas reichlicher vorhandenen groben Partikel lassen sich mit Hilfe von Filtern leicht abfangen. Schon erwiesen ist eine positive Wirkung auf Asthmatiker und Personen an "exponierter Stelle", etwa Busfahrer. Fahren sie mit Bio-Diesel, fühlen sie sich weniger belastet.

Unter allen Pflanzen hat der Raps die größten Aussichten, zum Öllieferanten zu werden, da er weltweit - und besonders in Europa - am häufigsten angebaut wird. Wenn die Rapspflanze aber das leisten soll, was von ihr erwartet wird, muß sie wahrscheinlich noch genetisch verändert werden. Heute ist der landwirtschaftliche Aufwand noch so groß und die Ölausbeute so klein, daß sich keine unterstützende Lobby findet.

Letztlich muß die Energiebilanz erheblich verbessert werden: Zwar können derzeit im Jahr 1,3 Tonnen Öl pro Hektar angebautem Raps geerntet werden. Das Verhältnis der gewonnenen zur vorher investierten Energie beträgt beim Bio-Diesel zur Zeit aber nur zwei zu eins. Die Werte beim traditionellen Erdöl liegen mit sieben zu eins wesentlich günstiger.

Befürworter denken jetzt darüber nach, die Rapspflanze so zu verändern, daß irgendwann ein Wettbewerb mit Kraftstoffen fossilen Ursprungs möglich wird. Derartige Versuche sind bereits im Gange. Zum einen verfolgen die beteiligten Wissenschaftler eine reine Ertragssteigerung. Zum anderen versuchen sie die Zusammensetzung der Fettsäuren im Hinblick auf die Kraftstofftechnologie zu optimieren.

So werden mit Hilfe besonderer Sorten besserer Wuchs und Mehrertrag angestrebt. Das kann durch gezielten Pflanzenschutz und das "Einfügen" bestimmter Kombinationen von Abwehr-Genen gegen Raps-Schädlinge erreicht werden. Bei den Ölen geht es darum, einen möglichst hohen Gehalt an besonderen Fettsäuren mit verbrennungssteigernden Sauerstoffgruppen herauszuzüchten.

Auch politische Gründe verhindern noch den Einsatz von Raps-Diesel. So steht in Europa infolge des Gatt-Abkommens nur eine begrenzte Fläche für den Anbau von Ölpflanzen zur Verfügung. In Deutschland sind es 520 000 Hektar. Hier sehen die Raps-Befürworter noch einen enormen Handlungsbedarf. Sie fordern ergebnisorientierte Fördergelder und eine besondere Unterstützung nachwachsender Rohstoffe.